Lehrlingsmarketing in Südtirol 2024

Bevor wir in die Beispiele einsteigen: Lehrlingsmarketing (oder Azubi-Marketing) heißt, junge Menschen für Lehrstellen zu begeistern, sie früh an Betriebe heranzuführen und diese dann auch zu halten. In Südtirol haben wir ein paar Besonderheiten:

  • Duale Ausbildung ist stark, Berufsschule + Betrieb.
  • Es gibt einen demografischen Wandel, fewer Schulabgängerinnen/Schulabgänger → Wettbewerb unter Betrieben.
  • Junge Menschen erwarten mehr Praxis, Einblicke, Transparenz.
  • Sprache und Kultur spielen mit (Deutsch, Italienisch, Ladinisch) – das beeinflusst, wie Marketing gemacht wird.

Das heißt: Wer Lehrlinge will, muss kreativ sein, sichtbar sein, auf Augenhöhe kommunizieren und idealerweise früh ansetzen.


Was tut sich 2024 in Südtirol – ein paar Trends & Rahmenbedingungen

Ein paar Rahmenfakten, die Best Practices beeinflussen:

  1. Rekordzahlen bei Sommerpraktika & Jugendbeschäftigung.
    Im Sommer 2024 haben über 7.000 Jugendliche in Südtirol Sommerpraktika gemacht. Das sind so viele wie noch nie.
    Mehr als die Hälfte der Jugendlichen haben generell Sommer-Arbeitserfahrungen.
    Viele Betriebe, auch solche, die vorher keine Praktikanten hatten, haben erstmals mitgemacht. (digitalnow.provinz.bz.it)
  2. Frühe Praxisorientierung & Duale Systeme.
    Schule + Betrieb in Kombination, Wechsel zwischen Unterricht und Praxis etc.
    Auch Betriebspraktika schon ab 14 Jahren sind möglich, was jungen Leuten hilft, sich zu orientieren. (lvh.apa)
  3. Fördermaßnahmen, Anreize & öffentliche Unterstützung.
    Die Handelskammer Bozen z. B. vergibt Förderbeiträge für Sommerpraktika und Lehrverträge, insbesondere auch für kleine Betriebe und für Frauen in MINT-Berufen.
    Politische/öffentliche Stellen setzen auf Qualität der Praktika (Lerneffekt, nicht nur Arbeitsleistung).
  4. Projekte & Kampagnen, die sichtbar sind und Storytelling nutzen.
    Aktionen wie „Der geilste Sommerjob“ (Karriere Südtirol) schaffen Aufmerksamkeit durch Challenges, Social Media, Filmteams etc. (karriere-suedtirol.com)
    Unternehmer:innen wie P-Dach setzen auf Projekte, bei denen Jugendliche handwerklich mitarbeiten, so dass sie das Handwerk „begreifen“. (Salto)

Best Practice Beispiele aus Südtirol 2024

Jetzt zur Sache: vier konkrete Beispiele, was klappt, was man lernen kann.

Beispiel 1: „Der geilste Sommerjob“

  • Wer steckt dahinter: Karriere Südtirol.
  • Was passiert: In der 2. Auflage des Projekts dürfen Jugendliche („Jobreporter:innen“) für jeweils einen Tag hinter die Kulissen verschiedener Unternehmen schauen, Challenges lösen, begleitet von einem Filmteam, das Videos produziert.
  • Warum wirkt’s:
    • Emotion + Storytelling: Jugendliche erleben etwas Besonderes, nicht bloß einen Job.
    • Sichtbarkeit: Die gesammelten Videos werden auf Social Media geteilt – Reichweite.
    • Verbindung zum Unternehmen: Junge Menschen sehen Menschen, Ambiente, Aufgaben, nicht nur Stellenanzeigen.
  • Was kann man lernen:
    • Praktische Erlebnisse schaffen → Nähe herstellen.
    • Medien & Sozialnetzwerke nutzen, um Multiplikatoren zu aktivieren.
    • Kooperationen mit mehreren Unternehmen erweitern die Vielfalt und Attraktivität.

Beispiel 2: P-Dach: „Wir bauen ein Haus“

  • Wer: Das Handwerksunternehmen P-Dach, Neumarkter Betrieb.
  • Was wurde gemacht: In einer Woche entstand ein Modellhaus; Jugendliche konnten aktiv mitarbeiten. Am Ende wurde nicht nur ein Lernprojekt beendet, sondern daraus kam auch mindestens ein neuer Lehrling.
  • Warum cool:
    • Haptisch und konkret: Man sieht, fühlt, erlebt Handwerk.
    • Schnell Erfolg: Modellhaus fertig, Feedback sichtbar, das motiviert.
    • Direkter Übergang in Lehrstelle möglich.
  • Takeaways:
    • Praxisprojekte, bei denen man was schafft, sind sehr wirksam.
    • Lehrlinge entstehen nicht allein über passive Werbung, sondern durch aktive Einbindung.
    • Lehrbetriebe sollten sich überlegen: Was können wir Jugendlichen konkret zeigen und ermöglichen?

Beispiel 3: Sommerpraktika & Qualitätssicherung

  • Was: Südtirol hat 2023-2024 eine große Zahl an Sommerpraktika, mit Befragungen zur Zufriedenheit. 9 von 10 Praktikant:innen gaben an, zufrieden zu sein und neue Fähigkeiten erworben zu haben.
  • Maßnahmen, die helfen:
    • Qualität im Praktikum, nicht nur Arbeitskraft: Lernanteile hoch, Begleitung durch Betreuer im Betrieb etc.
    • Praktika als „Türöffner“: Jugendliche erleben Betrieb, Fähigkeiten, Arbeitsalltag – und Betriebe lernen potenzielle Lehrlinge kennen.
  • Lerneffekt:
    • Zufriedene Praktikant:innen können zu Lehrlingen werden oder zumindest positiv überbetrieblich Werbung machen („Mund-Propaganda“).
    • Qualität stärkt das Image des Betriebs als Ausbildungsbetrieb.

Beispiel 4: Förderung & Politik: Lehrverträge & Zuschüsse

  • Was: Handelskammer Bozen fördert Sommer- und Schülerpraktika sowie Lehrverträge, besonders bei kleinen Betrieben (< 20 Beschäftigte), und speziell in Bereichen wie MINT und / oder für Frauen.
  • Warum wichtig:
    • Oft sind es gerade kleine Betriebe, denen die Ressourcen fehlen, um Praktika oder Lehrstellen attraktiv zu gestalten. Zuschüsse können die Hemmnisse senken.
    • Gerechtigkeit & Vielfalt: Förderungen für Frauen in MINT Berufsgruppen helfen, Barrieren abzubauen.
  • Was man mitnehmen kann:
    • Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen kann helfen, solchen Förderrahmen zu nutzen.
    • Transparente, faire Konditionen schaffen Vertrauen und Motivation.
    • Förderprogramme auch kommunizieren: viele Betriebe wissen gar nicht, dass diese Möglichkeiten bestehen.

Erfolgsfaktoren, die sich durchziehen

Aus den Beispielen lassen sich wiederkehrende Erfolgsfaktoren ableiten:

ErfolgsfaktorWarum wichtigUmsetzungsidee
Frühe EinbindungJe früher Jugendliche Einblick haben, desto eher können sie sich für oder gegen eine Lehre entscheiden; Betriebe wiederum können Talente erkennen.Praktika ab 14 Jahren, Schnuppertage, Betriebsführungen, Workshops in Schulen.
Praxis & Handeln statt bloße InfoErfahren geht tiefer als lesen oder hören.Bauprojekte (z. B. Modellhaus), Challenges, Mitwirken statt Zuschauen.
Storytelling & SichtbarkeitMenschen interessieren sich für Geschichten, die Lehrlinge, die Aufgaben, die Tücken und Erfolge.Videos, Social Media, Reportagen, Interviews mit Lehrlingen.
Qualität & LerneffektZufriedene Auszubildende erhöhen die Chance auf gutes Feedback, Weiterempfehlung, Bindung.Gute Betreuung, klare Lernziele, Feedback, ein Umfeld, in dem Lernen spürbar ist.
Politik & Förderinstrumente nutzenZuschüsse, gesetzliche Rahmenbedingungen, schulische Partnerschaften schaffen Hebel.Förderprogramme, Kooperationen Schule/Betrieb, Teilzeit- oder modulare Modelle nutzen.
Authentische Kommunikation & ZielgruppennäheJugendliche merken schnell, wenn etwas „nur Marketing“ ist. Echte Einblicke schaffen Vertrauen.Lehrlinge als Botschafter, Inhalte aus dem Alltag, ehrliche Darstellung der Herausforderung und Chancen.

Herausforderungen & Stolpersteine

Natürlich klappt nicht alles reibungslos. Ein paar Dinge, auf die man achten sollte:

  • Ressourcen: Zeit, Geld, Personal fehlen, gerade in kleinen Betrieben.
  • Konsistenz: Ein Projekt allein hilft wenig; regelmäßig dranbleiben ist wichtig.
  • Transparenz: Über Anforderungen, Verdienst, Arbeitszeiten; wenn Jugendliche erst später unangenehme Überraschungen haben, lässt das Image leiden.
  • Zielgruppen richtig erreichen: Unterschiedliche Jugendliche haben unterschiedliche Mediennutzung, Sprachen, Erwartungen. Was für 18-Jährige funktioniert, muss nicht das beste für 14-15-Jährige sein.
  • Nachhaltigkeit: Lehrlingsmarketing darf keine einmalige Kampagne sein, sondern Teil der betrieblichen Strategie.

Ausblick: Wohin geht die Reise?

Ein paar Ideen, wie Lehrlingsmarketing in Südtirol in den nächsten Jahren noch besser werden könnte:

  1. Digitalisierung & Interaktivität: Mehr Virtual Reality (z. B. virtuelle Betriebsbesichtigungen), Apps, interaktive Tools zur Berufsorientierung.
  2. Peer & Influencer Marketing: Lehrlinge selbst zu Markenbotschaftern machen; Influencer aus der Region, die Jugendliche ansprechen.
  3. Mehr Flexibilität: Modularere Lehrausbildungen, Teilzeit-Modelle, Kombination mit Service/Innovation/Umweltthemen, um junge Leute mit verschiedenen Interessen anzusprechen.
  4. Integration & Mehrsprachigkeit: Da Südtirol mehrsprachig ist, sollten Kampagnen und Materialien in Deutsch, Italienisch und Ladinisch optimal bedient werden.
  5. Feedbacksysteme & Evaluation: Regelmäßig Lehrlinge, Praktikanten und Betriebe befragen, was wirkt, was nicht; Daten nutzen, um zu optimieren.

Fazit

Lehrlingsmarketing in Südtirol 2024 zeigt: Es geht nicht mehr nur um das klassische Stellenangebot und statische Werbung. Die wirklich guten Beispiele sind jene, die:

  • Jugendlichen Erlebnisse bieten
  • sie früh einbinden
  • Sichtbarkeit über Social Media und Geschichten schaffen
  • Qualität & Transparenz bieten
  • und unterstützende Rahmenbedingungen nutzen

Wer diese Elemente kombiniert, hat gute Chancen, junge Talente zu gewinnen, langfristig zu halten und das Image als Ausbildungsbetrieb zu stärken.

Foto von fauxels / Pexels.com

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