Bevor wir zu den Beispielen kommen: Lehrlingsmarketing ist längst kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit. Viele Unternehmen tun sich schwer, passende Lehrlinge zu finden. Die Demografie verändert sich, Jugendliche haben mehr Wahlmöglichkeiten. Ausbildungsbetriebe müssen daher strategisch denken, sich positionieren und auf die Bedürfnisse der Generation Z eingehen.
Neue Berufsbilder (z. B. rund um Digitalisierung), Erwartungen an Arbeitszeitmodelle, Work-Life-Balance und moderne Lernmethoden sind Teil dessen, worauf Jugendliche heute achten.
Einige Best-Practice Beispiele aus der Schweiz 2024
1. ICT Berufsbildung Schweiz – Exzellenz mit Austausch
Der Verband ICT Berufsbildung Schweiz hat 2024 bei seinem „ICT Education & Training Award“ Lehrbetriebe ausgezeichnet, die in der ICT-Lehre besonders stark sind. Ein Beispiel: Kromer Print wurde in der Kategorie „1-20 Mitarbeitende“ ausgezeichnet – unter anderem für eine Initiative, in der Lernende für ein bis zwei Monate in andere Betriebe wechseln. Dort übernehmen sie Aufgaben, die sie im eigenen Betrieb kaum kennenlernen würden. So bekommen sie breitere Erfahrungen, Netzwerke wachsen, und die Lernenden fühlen sich wertgeschätzt. (IT Magazin Schweiz)
Das zeigt: Austauschprogramme sind keine nette Dreingabe, sondern ein wirkungsvoller Hebel, um Lernen attraktiver zu machen und Bindung zu erhöhen.
2. Auszeichnungen & Rankings – Sichtbarkeit & Prestige nutzen
Gerade Rankings und Auszeichnungen spielen eine große Rolle. Zwei Beispiele:
- ICT Berufsbildung Schweiz Awards (oben genannt) schaffen positive Sichtbarkeit für Lehrbetriebe, die sich engagieren. (IT Magazin Schweiz)
- Kununu-Rankings: Die ti&m AG führt das Ranking „Beste Arbeitgeber für Lehrlinge“ an. Dort werden u.a. Aspekte wie Arbeitsklima, Lehrlingsbetreuung, Materialkostenübernahmen etc. bewertet. Für Lehrlingsmarketing sind Rankings wie diese Gold wert – sie bieten glaubwürdige Referenzen gegenüber Jugendlichen & deren Umfeld (Eltern, Schulen). (kununu News)
3. Mehrkanal-Ansprache und neue Mediennutzung
Jugendliche sind nicht mehr nur mit klassischen Kanälen anzusprechen. Einige Unternehmen & Organisationen haben erkannt, dass sich Kanäle & Inhalte ändern müssen.
- Social Media & TikTok werden zunehmend genutzt z. B. von Swiss Post, die damit ihre Lehrstellen promotet. Der Alltag der Lernenden, die Möglichkeit mitzugestalten, neue Berufe im Bereich Digitalisierung. All das wird mit kreativen Inhalten vermittelt.
- Auf Fachtagungen wie „Lehrlingsmarketing Schweiz“ wurde diskutiert, wie junge Menschen kommunizieren: kurze Videos, Story-Formate, interaktive Inhalte, Einbindung von Lernenden selbst als Botschafter*innen.
4. Benefits, Arbeitsbedingungen & Unternehmenskultur
Das Thema Arbeitsbedingungen wird immer wichtiger: nicht nur Lohn, sondern Dinge wie Einbindung, Verantwortungsübernahme, flexible Arbeitszeiten, gute Betreuung, sinnvolle Projekte, moderne Ausstattung etc.
- Bei ti&m AG etwa wurden Lehrlinge in Rankings angeführt, weil Praxisnahe Aufgaben, neueste Technologien und kollegiales Umfeld vorhanden sind.
- Die Graubündner Kantonalbank punktet damit, dass Lehrlinge früh in Projekte und Meetings eingebunden werden und Gleitzeit möglich ist. Das wirkt attraktiv, gerade wenn Schule und Privatleben berücksichtigt werden sollen.
5. Kooperation mit Schulen & frühzeitige Bindung
Wer nicht erst zu spät beginnt, hat bessere Chancen:
- Lehrbetriebe arbeiten zunehmend mit Schulen zusammen, um schon in der Sekundarschule Einblicke zu bieten: Schnupperlehren, externe Projekte, Workshops etc. Damit können Jugendliche früher anfangen zu verstehen, was zu ihnen passt.
- Empfehlungsmarketing: Wenn aktuelle Lernende positiv von ihrem Betrieb berichten, wirkt das oft glaubwürdiger als jede Werbung. Einige Ausbildungsbetriebe nutzen das schon gezielt.
Praxishappen: Kampagnen & Projekte mit Einfluss
Projekt / Kampagne | Was wurde gemacht | Erfolg / Kennzahlen | Schlüsselfaktoren, die wirkten |
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Zimmerin on Tour (Holzbau Schweiz) | Eine Berufsbotschafterin tourt durch verschiedene Regionen (Deutschschweiz & Tessin). Sie besucht Schulklassen, Berufswahlmessen und besucht Betriebe. In Betrieben wird mit Jungen praktische Aufgaben gemacht, Social Media wird laufend mitgenommen, Stories etc. Holzbau Schweiz | Noch keine genauen veröffentlichten Bewerberzahlen, aber hohe Sichtbarkeit + viel Engagement über Social Media. Betriebe stärken ihr Image lokal, Kontakte zu Schulen werden aufgebaut. | Hands-on Ansatz: Jugendliche dürfen selbst mit Holz arbeiten; physische Präsenz in ORTEN, nicht nur digital. Kreislauf Schule → Betrieb → Medien. Gute Unterstützung durch Verbände. Leitfaden + Tools für Betriebe. |
Bauberufe.ch – Branchenkampagne Bau | Nationale Social-Media-Kampagne: Geschichten / Projekte aus der Branche, Botschafter/innen, Tools für Unternehmen (Messen, Leitfäden, Materialien) werden angeboten. Bauberufe | Größere Reichweite für Branchenimage & Motivation junger Leute, mehr Interesse an Bauberufen. Konkrete Zunahme der Anfragen bei teilnehmenden Betrieben nicht öffentlich in jedem Fall, aber Rückmeldungen zeigen, dass Sichtbarkeit und Bewerbungen stiegen. | Authentische Einblicke (echte Projekte), Storytelling, Zusammenarbeit auf Branchen- und Verbandsebene, Unterstützung kleiner Firmen mit Materialien, regional verankerte Aktionen. |
Yousty.ch – Lehrstellenmarketing & Video/Foto-Produkte | Yousty bietet ein „Rundum-Paket“: Video- und Fotoproduktion, Auftritte in Social Media, Kampagnen lokal & über Regionen. Man kann Lehrstellenvideos produzieren, Teaser, kurze Clips, Drohnenfotos etc. berufsbildung.yousty.ch | Belege: x-tausende Videoaufrufe (z. B. „Videos auf Yousty: ~1’795 Videos produziert“, „3,6 Mio Videoaufrufe“ etc.). Bewerbungen nehmen im Schnitt deutlich zu durch Sichtbarkeit. | Gute visuelle Contents, Anpassung an Plattformen (z. B. kurze Clips/Tesaser), gezielte Streuung, Nutzung von bestehender Plattform mit hoher Reichweite. |
Swissplastics / Kunststoffbranche | Beratung, wie Lehrstellen-Bekanntheit erhöht werden kann: mehr Sichtbarkeit via Website & Social Media, Einsatz von Videos, Eintragen in Lehrstellenpläne, Teilnahme an Berufsmessen etc. Swiss Plastics | KMU erhalten konkrete Handlungsempfehlungen; Nutzung von Plattformen und Kanälen, die Jugendliche ohnehin nutzen. Der Effekt: bessere Bewerberverbindungen, mehr Zugriffe auf Lehrstellen. (Exakte Ziffern nicht in allen Fällen veröffentlicht.) | Kombi aus Online + Offline; Sichtbarkeit dort, wo Jugendliche sind; Klarheit & Aktualität der Auftritte; professioneller Eindruck (z. B. mit Videos, guten Fotos etc.). |
Was macht die Unterschiede – worauf kommt es an?
Diese Beispiele zeigen: Nicht jede Maßnahme wirkt gleich, aber es gibt gemeinsame Merkmale erfolgreicher Strategien:
- Authentizität: Jugendliche merken schnell, wenn etwas „nur Marketing-Sprech“ ist. Echte Einblicke, transparente Erwartungen, die Beteiligung der Lernenden selbst helfen.
- Ganzheitlichkeit: Lehrlingsmarketing darf kein Projekt bleiben, das nur einmal im Jahr passiert. Es muss eingebettet sein in die Personalstrategie, Arbeitgebermarke und Unternehmenskultur.
- Schnelle und wertschätzende Prozesse: Bewerbungsprozesse, Rückmeldungen, Feedback. Je schneller und freundlicher, desto besser. Manche Betriebe lassen da noch viel Potenzial liegen.
- Flexibilität & Innovation: Neue Berufsbilder, digitale Skills, flexible Arbeits- und Lernmodelle, interdisziplinäre Aufgaben. All das hilft, Lehrstellen modern zu gestalten.
- Mehrwert über reine Ausbildung hinaus: Zusatzleistungen, moderne Infrastruktur, Mentoring, persönliches Wachstum etc.
Herausforderung & Grenzen
Klar, nicht alles ist einfach:
- Kosten: Mehrkanal-Kommunikation, Social Media, Events etc. kosten Zeit, Geld und Ressourcen. Nicht alle KMU haben große Budgets.
- Zeitverzögerungen: Branding wirkt nicht sofort. Wenn du heute anfängst, siehst du Effekte oft erst mit Verzögerung.
- Fachkräftemangel vs. Erwartungen: Jugendliche haben hohe Erwartungen – nicht jede Firma kann alle Wünsche erfüllen. Transparenz ist wichtig: nicht überversprechen.
Tipps zum Nachmachen
Damit dein Lehrlingsmarketing nicht nur „nett“ wirkt, sondern Wirkung zeigt, hier ein paar Impulse:
- Mach Lernende zu Botschaftern: Videos, Social-Media-Posts, Interviews – echt und unverstellt.
- Organisiere Schnupperlehren, Projekttage oder Tage der offenen Tür – idealerweise mit Beteiligung der Lernenden.
- Pflege Kooperation mit Schulen, Berufsberatungen etc.
- Nutze Rankings, Auszeichnungen, Testimonials, um Glaubwürdigkeit aufzubauen.
- Verbessere deine Prozesse: schnelle Rückmeldung, klare Kommunikation, gute Betreuung vom ersten Tag.
Fazit
Lehrlingsmarketing in der Schweiz 2024 heißt: mehr als Stellen ausschreiben. Es geht darum, ein ganzheitliches Erlebnis zu bieten – von Bekanntheit, über ersten Kontakt, Bewerbung, Ausbildung bis zur Bindung. Unternehmen, die authentisch, flexibel und proaktiv agieren, haben einen klaren Vorteil. Die Beispiele aus der ICT-Szene, die Bewertung durch Lehrlinge, Social-Media-Formate und gute Arbeitsbedingungen zeigen, wie’s geht.
Foto von Canva Studio / Pexels.com
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