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Schweiz: Ausgangslage & Corona als großer Einflussfaktor

2020 war natürlich kein gewöhnliches Jahr – Corona hat vieles durcheinandergewirbelt. Lockdowns, Schul  und Betriebsunterbrüche, Unsicherheit in vielen Branchen. Viele befürchteten, dass gerade die Berufslehre darunter leiden würde: Lehrstellen weg, Lehrverträge nicht zustande gekommen etc.

Aber: überraschenderweise hat sich der Lehrstellenmarkt in der Schweiz als ziemlich krisenresistent erwiesen. Unternehmen, Schulen, Behörden haben Maßnahmen getroffen, um die Situation zu stabilisieren.


Wichtige Zahlen & Entwicklungen

Damit klar ist, worüber wir sprechen, ein paar Kerndaten:

  • Per Ende September 2020 wurden ca. 76’408 Lehrverträge abgeschlossen – das ist sogar leicht mehr als im Vorjahr.
  • Bis Ende Juni 2020 waren es über 55’000 Lehrverträge, das sind etwa 3 % weniger als zu gleichen Zeit 2019.
  • Die Schweizweit unterzeichneten Lehrverträge sind also – trotz Corona – fast auf Vorjahresniveau, bzw. teilweise drüber.
  • Jedoch: In der lateinischen Schweiz (also Französisch  und Italienischsprachige Regionen) war der Rückstand stärker spürbar, weil der Lockdown dort in wichtige Zeitfenster fiel.

Wo’s hingegangen ist – Trends & Veränderungen

Lehrstellenangebot & Verteilung

  • Insgesamt wurden 2020 87’496 Lehrstellen angeboten.
  • Der Großteil der Lehrstellen waren sogenannte EFZ-Lehren (höher qualifizierte Lehrabschlüsse); etwa 10 % waren EBA-Lehren (niedrigere Anforderungen).
  • Branchen mit Wachstum im Lehrstellenangebot: Gesundheits- und Sozialwesen, Handel, öffentliche Verwaltung, Informations- und Kommunikationsbranche. Im Gegensatz: Rückgänge im Baugewerbe.

Lehrstellensituation & Lehrstellenvergabe

  • Laut Umfrage („Nahtstellenbarometer“) gaben etwa 71 % der Unternehmen an, dass ihr Lehrstellenangebot im Vergleich zum Vorjahr gleich geblieben sei. Jeweils etwa 11 % sagten, sie würden mehr Lehrstellen anbieten, weitere 11 % weniger.
  • Die Vergabe: Rund 90 % der angebotenen Lehrstellen konnten bis August 2020 besetzt werden.
  • Es gab aber weiterhin freie Lehrstellen, vor allem zu Beginn des Lehrjahres und in betroffenen Branchen. Um Jugendliche darauf hinzuweisen, haben Kantone Last Minute Lehrstellenbörsen veranstaltet und die Lehrvertragsfristen verlängert.

Lehrstellenquote & Lernende

  • Die Zahl der Lernenden ging etwas zurück: Beispielsweise wurde berichtet, dass 2020 gegenüber früheren Jahren weniger neue Lehranfänger waren (z. B. eine Reduktion um ca. 8,7 % bei Lehranfängern im Vergleich mit Höhepunkten früherer Jahre).
  • Auch über alle Lehrjahre zusammengenommen sank die Zahl der Lernenden leicht – etwa 6,9 % weniger im Vergleich mit Spitzenwerten.
  • Die Lehrstellenquote (das Verhältnis Lernende zu Beschäftigten) fiel: von etwa 4.9 % in früheren Jahren auf circa 4.5 % in 2020.

Herausforderungsbereiche & Unsicherheit

Auch wenn vieles stabil blieb, gab’s auch Stolpersteine:

  • Die regionale Verteilung war ungleich: Deutschschweiz war stabiler, die lateinische Schweiz hatte größere Rückstände bei Vertragsabschlüssen und bei der Besetzung.
  • Branchen wie Gastronomie, Hotellerie, Event Bereiche litten stärker unter Corona-Einschränkungen, wodurch Lehrstellensuche bzw. -besetzung schwieriger war.
  • Für Lehrabgänger*innen war der Übergang ins Arbeitsleben schwieriger: Mehr befristete Verträge, mehr Teilzeit, unsichere Arbeitsverhältnisse.

Positives & Chancen

Trotz allem gibt’s auch gute Nachrichten:

  • Dass die Gesamtzahl der Lehrverträge fast gleich blieb oder sogar leicht zulegte, zeigt: die berufliche Grundbildung ist in der Schweiz stark verankert. Betriebe, Bildungspartner und Behörden haben sich große Mühe gegeben.
  • Das gestiegene Angebot in Gesundheits  und Sozialwesen ist wichtig: diese Berufe wurden durch Corona sichtbar und erhalten eine höhere Wertschätzung – das spiegelt sich auch in mehr Interessierten.
  • Die Tatsache, dass Lehrstellen trotz Lockdown noch besetzt werden konnten und Lehrverträge trotz Unsicherheit abgeschlossen wurden, spricht für Flexibilität und Anpassungsfähigkeit im System.

Was Lehrbetriebe mitnehmen sollten – Impulse für heute & morgen

Damit Ausbildungsbetriebe auch in Zeiten wie 2020 stark bleiben, hier ein paar Gedanken, worauf man achten kann:

  1. Flexibilität & Fristen anpassen
    Lehrbetriebszeiten und Vertragsfristen später ansetzen, Last Minute Ausschreibungen nutzen – das half 2020 und kann auch weiterhin sinnvoll sein.
  2. Gezielte Rekrutierung & Sichtbarkeit
    Gerade in Regionen oder Branchen, die weniger attraktiv scheinen oder stärker von Corona betroffen, müssen Betriebe aktiv nach Lehrlingen schauen – mit klarer Kommunikation, guten Infos über Berufsfeld, Alltag etc.
  3. Stärkere Unterstützung & Beratung
    Berufswahlberatung, Schnupperlehren, Brückenangebote – das alles hilft Jugendlichen, vor allem wenn Unsicherheit da ist (z. B. wegen Corona oder wirtschaftlicher Lage).
  4. Branchen mit Potenzial nutzen
    Gesundheits- und Sozialwesen haben gewonnen an Interesse. Wer hier ausbildet, kann positiv auffallen – insbesondere, wenn man die Ausbildung modern gestaltet, mit Perspektiven.
  5. Arbeitsqualität & Attraktivität prüfen
    Jugendliche schauen zunehmend auf Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Umgang mit Schutzmassnahmen etc. Lehrbetriebe, die gute Betreuung bieten und Ausbildung nicht halbherzig betreiben, sind in der Wahrnehmung besser.

Fazit

2020 hätte leicht ein schlechtes Lehrstellenjahr werden können – eine hohe Unsicherheit, wirtschaftlicher Druck, Lockdowns. Aber: das Schweizer Modell, mit starker Zusammenarbeit von Behörden, Betrieben und Schulen, mit traditionell gut ausgeprägter dualer Berufsausbildung, hat gezeigt, dass vieles stabil bleiben kann.

Lehrverträge wurden abgeschlossen, viele Lehrstellen besetzt, neue Herausforderungen wurden gemeistert. Gleichzeitig gibt’s aber Rückgänge bei den Lernendenzahlen, regionale Unterschiede, Probleme im Übergang zum Arbeitsmarkt.

Für Lehrbetriebe heißt das: Die Zukunft liegt in Anpassungsfähigkeit, guter Betreuung und Klarheit – sowohl für Jugendliche als auch für Unternehmen. Wer sich bewegt, kommuniziert und Qualität liefert, bleibt attraktiv.

Foto von Anna Shvets / Pexels.com

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