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Lehrstellenmarkt 2020: Schweiz, Österreich & Südtirol im Vergleich

2020 – das Jahr, das uns alle durchgewirbelt hat. Corona hat uns alle überrascht und auch die Lehrstellenmärkte ordentlich auf die Probe gestellt. Aber wie sah’s eigentlich in der Schweiz, in Österreich und in Südtirol aus? Ähnlich? Unterschiedlich? Und was können Lehrbetriebe aus den Erfahrungen mitnehmen? Genau das schauen wir uns jetzt an.


1. Gesamtüberblick: Lehrstellen & Lehranfänger

Schweiz:
Trotz Corona haben sich die Lehrstellen überraschend stabil gezeigt. Per September 2020 wurden rund 76’400 Lehrverträge abgeschlossen – fast auf Vorjahresniveau oder leicht darüber. Das System zeigte Flexibilität, viele Betriebe und Behörden zogen an einem Strang, um die Ausbildung zu sichern. (arbeitgeber.ch

Allerdings gab es regionale Unterschiede: Die Deutschschweiz hielt besser mit, in der lateinischen Schweiz war der Rückstand spürbarer.

Österreich:
Hier war 2020 ein Jahr voller Herausforderungen: Ein deutlicher Rückgang bei neuen Lehrverträgen wurde verzeichnet, besonders in Branchen wie Tourismus oder Handel, die stark von Corona getroffen wurden. Die Zahl der Lehranfänger sank im Vergleich zu 2019 um etwa 8 bis 10 %. Allerdings startete die Ausbildungssituation in manchen Bereichen gegen Ende des Jahres eine Erholung.
Die Gesamtzahl der Lehrstellen lag aber niedriger als in der Schweiz, und viele Betriebe meldeten Schwierigkeiten bei der Lehrlingssuche. (bmbwf.gv.at

Südtirol:
Als autonome Region mit engem Bezug zu Italien und Österreich litt auch Südtirol unter Corona-bedingten Unsicherheiten. Die Zahl der Lehranfänger sank, Ausbildungsbetriebe waren vorsichtiger mit Neueinstellungen. Trotzdem blieb das duale System stabiler als erwartet, da viele kleine und mittlere Betriebe – oft familiengeführt – ihre Lehrstellen hielten.
Zudem ist Südtirol stark vom Tourismus geprägt, was die Ausbildungssituation zusätzlich erschwerte.

2. Trends & Besonderheiten im Detail

Lehrstellenangebot

  • Schweiz: Rund 87’500 Lehrstellen wurden angeboten, vor allem in Gesundheits- und Sozialwesen, Handel und IT. Weniger Lehrstellen gab es im Baugewerbe. Die Unternehmen waren insgesamt recht stabil mit dem Angebot.
  • Österreich: Das Angebot schrumpfte leicht, vor allem Tourismus und Gastronomie mussten Lehrstellen abbauen. Dafür gewannen technische Berufe etwas an Bedeutung.
  • Südtirol: Ähnlich wie in Österreich, mit Schwerpunkt auf Hotellerie/Gastronomie gab es spürbare Rückgänge. Die Industrie hielt sich stabil, öffentliche Verwaltung und Handel zeigten moderate Veränderungen.

Bewerber & Besetzung

  • Schweiz: Ca. 90 % der Lehrstellen konnten bis August 2020 besetzt werden. Die regionale Verteilung war aber ungleich, und einige Lehrstellen blieben frei.
  • Österreich: Deutlicher Rückgang der Lehranfänger; viele offene Lehrstellen, die schwer besetzt wurden – insbesondere in beliebten Branchen.
  • Südtirol: Weniger Bewerber, teilweise spürbare Schwierigkeiten bei der Besetzung, besonders in Tourismus-Lehrstellen.

Digitalisierung & Ausbildungsmethoden

  • Schweiz: Starker Trend zu digital unterstütztem Lernen – digitale Lehrmittel, Online-Unterricht und hybride Modelle wurden verstärkt eingesetzt.
  • Österreich: Die Digitalisierung in der Lehre wurde auch wichtiger, allerdings gab es teils Herausforderungen mit Ausstattung und Know-how.
  • Südtirol: Erste Ansätze digitaler Lernformen wurden eingeführt, aber viele kleine Betriebe kämpften mit technischen und organisatorischen Hürden.

3. Corona: Auswirkungen & Anpassungen

Corona war natürlich der Gamechanger.

  • Schweiz: Flexibelere Lehrvertragsfristen, verlängerte Bewerbungszeiten und Last-Minute-Lehrstellenbörsen halfen, den Lehrstellenmarkt zu stabilisieren.
  • Österreich: Es gab Förderprogramme und Beratungen, aber viele Betriebe mussten Lehrstellen reduzieren oder auf unbestimmte Zeit verschieben.
  • Südtirol: Viele Betriebe waren vorsichtig bei Neueinstellungen, Einsatz von Kurzarbeit war verbreitet, was Ausbildungskapazitäten einschränkte.

4. Was Lehrbetriebe daraus lernen können

Aus der Schweiz:

  • Flexibilität ist Trumpf – verlängerte Fristen, digitale Bewerbungsmöglichkeiten, Zusammenarbeit mit Behörden.
  • Investition in digitale Lerninhalte zahlt sich aus.
  • Regionale Unterschiede nicht ignorieren: Betreuung und Werbung sollten zielgruppenspezifisch erfolgen.

Aus Österreich:

  • Engere Kooperation mit Schulen und AMS (Arbeitsmarktservice) zahlt sich aus.
  • Mehr Offenheit für unterschiedliche Bildungswege und mehr Unterstützung bei der Berufswahl.
  • Fokus auf Branchen mit Zukunft, wie Technik und Digitalisierung.

Aus Südtirol:

  • Kleine und mittlere Betriebe sind Herzstück – sie brauchen Unterstützung bei Digitalisierung und Lehrlingsmanagement.
  • Spezielle Branchen (Tourismus) brauchen besondere Aufmerksamkeit und kreative Lösungen.
  • Ausbau von Berufsorientierung und Schnupperangeboten ist wichtig, um Jugendliche zu motivieren.

5. Gemeinsame Herausforderungen & Chancen

  • Fachkräftemangel: In allen drei Regionen zeichnet sich ab, dass die Zahl geeigneter Lehrlinge geringer wird als die Zahl der verfügbaren Lehrstellen.
  • Digitalisierung: Überall ein Mega-Thema. Die duale Ausbildung muss hier dranbleiben, sonst verliert sie an Attraktivität.
  • Diversität & Inklusion: Immer wichtiger, Lehrbetriebe sollten Barrieren abbauen, z.B. für Mädchen in technischen Berufen oder Jugendliche mit schwächerem Schulabschluss.
  • Arbeitswelt 4.0: Flexibles Lernen, selbstgesteuertes Lernen, Projektarbeiten – das alles wird erwartet. Lehrbetriebe müssen moderner werden, um junge Talente zu halten.

Fazit: Drei Regionen – viel Gemeinsamkeit, aber auch Unterschiede

Schweiz, Österreich und Südtirol haben 2020 trotz der Corona-Krise eine erstaunliche Stabilität im Lehrstellenmarkt gezeigt – wenn auch mit regionalen Schwankungen und klaren Herausforderungen.

Die Schweiz hat mit flexiblen Systemen und guter Zusammenarbeit überzeugt, Österreich hatte es schwerer, kämpft aber mit staatlicher Unterstützung gegen den Rückgang an, Südtirol hält sich dank seiner kleinstrukturieren Betriebe erstaunlich gut, kämpft aber in bestimmten Branchen und mit Digitalthemen.

Für Lehrbetriebe gilt: Wer flexibel bleibt, auf die Bedürfnisse der Jugendlichen eingeht, Digitalisierung ernst nimmt und in die Qualität der Ausbildung investiert, hat auch in unsicheren Zeiten gute Chancen, passende Lehrlinge zu finden und zu binden.

Foto von Mikhail Nilov / Pexels.com

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