Die Welt liebt Schubladen. Seit Jahrzehnten sortieren wir Menschen in Generationen: Babyboomer, Generation X, Millennials (auch Generation Y genannt), Generation Z und ganz frisch die Generation Alpha. Klingt praktisch, oder? Man weiß sofort, wen man meint, wenn man über Arbeitsmoral, Werte oder Social-Media-Gewohnheiten spricht. Aber wenn man mal ehrlich ist: Gibt es diese Generationen wirklich – oder sind sie nur clevere Labels, die mehr über unsere Sehnsucht nach Ordnung verraten als über die Menschen selbst?
Ein kurzer Überblick: Wer ist wer?
Zur Orientierung hier das gängige Raster:
- Babyboomer: Geboren ca. 1946–1964. Wirtschaftswunder, erste Wohlstandsgesellschaft.
- Generation X: 1965–1979. Punk, Mauerfall, MTV.
- Generation Y / Millennials: 1980–1994. Internet, Globalisierung, Work-Life-Balance.
- Generation Z: 1995–2010. Smartphones, soziale Medien, „Fridays for Future“.
- Generation Alpha: Ab 2010. TikTok, iPad-Kindheit, KI als Alltag.
Diese Einteilung klingt nach klaren Grenzen, fast wie geografische Ländergrenzen. Aber eigentlich handelt es sich um weiche Übergänge. Wer 1979 geboren ist, fühlt sich vielleicht mehr wie ein Millennial als wie ein „Xer“. Und die Generation Alpha? Die ist noch mitten im Aufwachsen. Niemand weiß, was sie prägen wird.
Warum wir gerne in Generationen denken
Menschen lieben Geschichten. „Die Jugend von heute“ war schon im antiken Griechenland ein beliebtes Gesprächsthema. Generationenbegriffe sind kleine Storys: Sie geben Komplexem eine verständliche Form. Ein „Millennial“ ist sofort greifbar: Laptop, Avocado-Toast, flexible Arbeitszeit. Ein „Boomer“? Eigenheim, Auto, Sparbuch.
Diese Bilder sind eingängig, weil sie Stereotype verdichten. Für Soziolog:innen, Marketer oder Journalist:innen sind sie wie Shortcut-Tasten: Man spart sich lange Erklärungen. Aber der Preis ist hoch, die Realität bleibt außen vor.
Generationen sind keine Naturgesetze
Es gibt keinen offiziellen Startschuss für eine Generation. Niemand wacht am 1. Januar 1995 auf und denkt: „Ab heute bin ich Gen Z!“ Die Grenzen sind willkürlich gezogen. Sie entstehen meist in den USA, werden dann weltweit übernommen und hierzulande auf deutsche Verhältnisse übertragen.
Kulturelle Prägungen sind jedoch regional. Ein 20-Jähriger in Indien lebt anders als ein 20-Jähriger in Berlin. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es Unterschiede: Land oder Stadt, soziales Umfeld, Bildungszugang. Das zeigt: „Die Generation Z“ gibt es nicht wirklich. Es gibt Millionen verschiedene Lebenswelten, die nur lose zusammengefasst werden.
Ein Kern Wahrheit steckt drin
So ganz aus der Luft gegriffen sind die Begriffe aber nicht. Jede Zeit hat prägende Ereignisse: Kriege, Krisen, technische Innovationen. Wer in den 80ern aufwuchs, erlebte das Festnetztelefon, wer in den 2000ern Kind war, die Digitalisierung. Solche Erlebnisse hinterlassen Spuren, die Menschen einer Alterskohorte ähneln lassen.
Allerdings: Das bedeutet nicht, dass alle Millennials gleich ticken. Es heißt nur, dass sie ähnliche Rahmenbedingungen hatten. Ob jemand daraus Optimismus oder Skepsis entwickelt, hängt wiederum von Persönlichkeit und Umfeld ab.
Die Gefahr der Schubladen
Das Problem entsteht, wenn Generationenlabels zu Schablonen werden. „Die Gen Z will nicht mehr arbeiten.“ „Die Millennials sind alle sensibel.“ „Die Boomer verstehen das Internet nicht.“ Solche Sätze hört man ständig. Sie reduzieren Individuen auf Klischees.
Dabei übersehen wir, dass Unterschiede innerhalb einer Generation größer sind als zwischen Generationen. Ein 25-jähriger Handwerker auf dem Land und eine 25-jährige Influencerin in der Stadt haben wenig gemeinsam, auch wenn sie beide „Gen Z“ sind.
Dafür vereinen Generationen unterschiedlicher Altersgruppen z. B. die Geschehnisse der Zeit oder Technik-Entwicklungen. Ist die GenZ wirklich nur in ihrem Smartphone vertieft? Gilt dieses nicht auch für GenY, Gen Alpha und teilweise für die Babyboomer?
Marketing liebt Generationen
Ein Grund, warum sich diese Labels so hartnäckig halten: Sie verkaufen sich gut. Unternehmen können Kampagnen zielgerichtet auf „die Millennials“ ausrichten, Personalabteilungen können Trainings für „den Umgang mit der Gen Z“ anbieten. Ob das immer fundiert ist, spielt eine Nebenrolle. Hauptsache, es klingt nach Planbarkeit.
Doch die Realität in Teams zeigt: Altersunterschiede sind nur ein Faktor. Persönlichkeit, Werte, individuelle Erfahrunge, das alles prägt viel stärker, wie jemand tickt. Ob vor 10 Jahren, heute oder 2035: Es wird sie immer geben, die älteren und jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die entweder an alten Werten festhalten oder frischen Wind in die Abteilung bringen.
Ein Vorschlag: Weg von den Buchstaben, hin zu Haltungen
Vielleicht sollten wir weniger über Generationen reden und mehr über Einstellungen. Statt „Gen Z will flexible Arbeitszeiten“ könnten wir fragen: „Welche Art von Arbeit suchen junge Menschen heute und warum?“ Statt „Boomer sind technikfeindlich“ wäre es sinnvoller, über digitale Bildungsangebote zu sprechen.
Die Labels helfen, Diskussionen anzustoßen. Aber wenn wir wirklich verstehen wollen, wie Menschen leben, fühlen und arbeiten, brauchen wir feinere Kategorien.
Und die Generation Alpha?
Über sie wird schon fleißig spekuliert. Sie seien „Digital Natives hoch zwei“, die komplett in der Cloud großwerden. Manche sagen: Sie werden KI wie selbstverständlich nutzen, so wie wir heute Strom nutzen. Aber ehrlich: Niemand weiß es. Die Generation Alpha ist heute gerade mal in der Schule. Alles, was wir über sie sagen, sind Projektionen unserer Wünsche und Ängste für die Zukunft.
Fazit: Gibt es Generationen?
Ja – und nein.
Ja, weil bestimmte Jahrgänge durch ähnliche historische Umstände geprägt sind. Nein, weil niemand sich eins zu eins in ein Label pressen lässt. „Gen Y, Z oder Alpha“ sind nützliche Sprachbilder, aber keine festen Kategorien.
Vielleicht sollten wir Generationen weniger als Schubladen sehen und mehr als lose Erzählungen. Geschichten, die uns helfen, die Welt ein Stückchen zu ordnen – solange wir nicht vergessen, dass echte Menschen viel komplexer sind.
Am Ende zählt weniger, ob man Y, Z oder Alpha ist, sondern wie man mit den Veränderungen unserer Zeit umgeht. Und da sind wir alle – egal welchen Jahrgangs – eine Generation: die Generation Jetzt.
Foto von Mikhail Nilov / Pexels.com

Schreibe einen Kommentar