In den letzten Wochen hatte ich gleich mehrere spannende Begegnungen mit Ausbildungsbetrieben, die Lehrlinge aus dem Ausland – vor allem aus den deutschsprachigen Nachbarländern – beschäftigen. Und ich muss sagen: Das Thema brennt! Nicht nur, weil es zeigt, wie kreativ manche Unternehmen bereits heute sind, sondern auch, weil es ganz neue Türen öffnet – für den Fachkräftenachwuchs und für uns als Gesellschaft.
Denn ja, die Lehrlingssuche wird internationaler. Und das ist auch gut so.
🚠 Ein Vorarlberger Betrieb begeistert Azubis aus ganz Deutschland
Ein besonders beeindruckendes Beispiel kommt aus Vorarlberg – ein großer Ausbildungsbetrieb dort nimmt regelmäßig Lehrlinge aus Deutschland auf. Jetzt denkst du vielleicht: „Na ja, ist ja Grenzgebiet, kein Wunder.“
Aber: Weit gefehlt!
Die Jugendlichen kommen nicht aus Lindau oder dem Allgäu – sondern aus dem Ruhrgebiet, Rheinland, Westfalen und Sachsen. Teilweise hunderte Kilometer entfernt.
Warum machen die das?
Weil dieses Unternehmen es geschafft hat, sie zu begeistern.
Die jungen Leute kommen zum Schnuppertag – auf eigene Kosten – fahren durch halb Deutschland, machen den Einstellungstest und werden mit offenen Armen empfangen. Es gibt ein Welcome-Paket, eine Unterkunft wird organisiert und sie fühlen sich direkt wohl. Kein bürokratischer Hürdenlauf, kein „Erstmal schauen, ob das mit der Entfernung überhaupt geht“. Sondern: Lösungen statt Ausreden.
⁉️ „Jetzt klauen uns die Österreicher auch noch die Azubis!“
Halt, stopp – bevor hier jemand den Fachkräftemangel-Nationalismus auspackt:
So sollten wir nicht denken.
Denn zwei Tage später saß ich bei einem deutschen Ausbildungsbetrieb zum Beratungsgespräch. Ich erzählte ganz locker von meinem Telefonat mit dem Lehrbetrieb aus Österreich – und der Ausbildungsleiter sagt ganz trocken:
„Wir haben übrigens auch gerade einen Azubi aus Österreich eingestellt.“
Und ich dachte: Yes, genau so!
🌍 Wir sind Europa – und das sollten wir auch leben!
Die Zeiten, in denen Azubis am besten fünf Minuten mit dem Rad zur Arbeit fahren, sind vorbei. Der demografische Wandel, die Urbanisierung und die gestiegenen Ansprüche an Ausbildung und Arbeitgeber haben das Spiel verändert.
Wir müssen größer denken. Flexibler. Europäischer.
Und mal ehrlich: Wer heute noch sagt „Ich stelle nur Azubis ein, die im Umkreis von 20 km wohnen“, darf sich nicht wundern, wenn er die nächsten Jahre auf unbesetzten Lehrstellen sitzt.
⚙️ Wie können Betriebe das schaffen? Ganz einfach: MACHEN!
Hier ein paar ganz konkrete Lösungsansätze, die bereits erfolgreich funktionieren:
✅ Unterbringung organisieren
Wohnheime, Azubi-WGs oder sogar Gastfamilien – warum nicht?
In Österreich ist das längst gängige Praxis. Ganz nebenbei entsteht ein kultureller Austausch, der Azubis reifen lässt – und Kolleg*innen auch.
✅ Reisekosten fördern
Eine Bahncard für Azubis? Gibt’s günstig bis 26! Oder das gute alte Monatsticket für Fernbeziehungen mit dem Ausbildungsbetrieb. Wer ein bisschen mitdenkt, sorgt dafür, dass An- und Abreise kein K.-o.-Kriterium sind.
✅ Flexible Arbeitszeiten
Warum nicht Urlaubstage ansammeln, um am Wochenende mal nach Hause zu fahren? Oder ein verlängertes Wochenende alle paar Wochen? Flexibilität kostet wenig, bringt aber viel.
✅ Interrail-Tickets nutzen
Wusstest du, dass es in der EU Programme für kostenlose Zugtickets für Jugendliche gibt? Stichwort: #DiscoverEU. Ein Traum für mobile junge Menschen – und ein Argument mehr für grenzüberschreitende Ausbildung.
✅ Sprachbarrieren? Kein Grund zur Panik!
Auch Lehrlinge aus Ländern, in denen Deutsch nicht die Muttersprache ist, können integriert werden. Es gibt unzählige Projekte, z. B. Azubi International oder die Ems-Achse in Weser-Ems, die mit Sprachkursen, Mentoring und interkultureller Vorbereitung unterstützen.
Was haben wir davon? Eine Menge!
Internationalität ist kein PR-Gag – sie bringt echten Mehrwert ins Unternehmen. Zum Beispiel:
✨ Teambuilding auf ganz neuem Level
Wenn plötzlich jemand aus der Steiermark, aus Utrecht oder aus Norditalien mit am Azubi-Tisch sitzt, entstehen ganz neue Gespräche. Man wird neugierig aufeinander – und das fördert Kommunikation.
✨ Frischer Wind im Unternehmen
Andere Herkunft = andere Perspektive. Internationale Azubis bringen neue Ideen, andere Sichtweisen – und stellen vielleicht auch mal eingefahrene Prozesse in Frage.
✨ Loyalität durch Investition
Wer einmal 800 Kilometer für eine Lehrstelle umgezogen ist, haut nicht beim ersten Konflikt wieder ab. Viele internationale Azubis sind extrem engagiert – und bleiben oft auch nach der Ausbildung, wenn man sie lässt.
✨ Potenzial für spätere Auslandseinsätze
Vielleicht wird aus dem Lehrling von heute die Führungskraft von morgen – und die kann dann sogar den neuen Standort im Heimatland mit aufbauen. Win-Win.
✨ Azubi-Ausflüge mit Mehrwert
Warum nicht mal einen Betriebsausflug in die Heimatregion des internationalen Azubis machen? Das schweißt zusammen und gibt allen einen Einblick in andere Kulturen und Lebensweisen.
Fazit: Mut zahlt sich aus – auch beim Azubi-Recruiting
Internationale Azubis einzustellen ist kein Hexenwerk – und kein Risiko, sondern eine Riesenchance.
Natürlich braucht es ein bisschen Organisation. Natürlich ist das nichts, was man „mal eben so nebenbei“ macht. Aber es lohnt sich. Denn die Welt ist längst vernetzt – und unsere Ausbildungsbetriebe sollten das auch sein.
Also, liebe Ausbilder*innen da draußen:
Wagt den Blick über die Grenze!
Sucht nicht nur auf der anderen Straßenseite – sucht in der ganzen Region D-A-CH, vielleicht sogar darüber hinaus.
Schafft Strukturen, die internationale Azubis willkommen heißen – und ihr werdet sehen:
Fachkräfte wachsen nicht nur vor der Haustür.
Foto: Ivan Samkov / Pexels.com
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